Künstlerhaus Jan Oeltjen e. V.
Künstlerhaus Jan Oeltjen e. V.

Adventskalender 2022

Vom 1. bis zum 24. Dezember werden wir auf dieser Seite täglich etwas präsentieren, das folgenden "Regeln" unterworfen ist:

a) aus dem Umfeld von Jan Oeltjen und/oder Elsa Oeltjen-Kasimir

b) Ein Bild, zehn Zeilen Text (von begründeten Ausnahmen einmal abgesehen)

c) Freischaltung auf der Homepage bis spätestens 18.00 Uhr

d) kein "fremdes" Urheberrecht, d. h. wir verwerten nur freie Inhalte

e) möglichst ein Detail bzw. eine Besonderheit, die in größeren Darstellungen sonst untergehen...

 

 

24.12.2022

Ein Aquarell vom Heiligen Abend 1916; ein scheinbar offensichtliches Bild, das Jan Oeltjen an seinem zweiten Kriegsweihnachten an der Vogesenfront malte - Zweisamkeit, unfangene Nacktheit, Sonne, Strand, Wasser und das gemeinsame Zukunft symbolisierende Boot umfassend. Es war ein an Deutlichkeit nicht zu überbietender Gegenentwurf zu seinem wirklichen Leben. Tatsächlich aber bekam er an diesem Tag noch ein "Geschenk", das heute auf uns wie Hohn wirkt, ihn damals aber offenkundig doch erfreute, wie er am 23. 12.1916 an seine Frau schrieb:

"Ich bekomme morgen für einige Patrouillen, die ich als Führer machte, das eiserne Kreuz. Nun brauch ich mich wenigstens nicht mehr anschaun zu lassen, weil ich keines habe."

Mit diesem Widersinn beenden wir den diesjährigen Adventskalender und wünschen allen BesucherInnen unserer Homepage friedvolle Tage!

 

Provenienz: Aquarell im Nachlass, Briefwechsel Jan Oeltjen - Elsa Oeltjen-Kasimir im Deutschen Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg

Digitalisierung bzw. Transkription: Volker Maeusel

23.12.2022

Am vorletzten Tag des Adventskalenders wird noch einmal der Zusammenhang von Zeichnung und Tagebuch gesucht. Jan Oeltjens Alltag im Mai 1918 wurde schon benannt: Eine relativ harmlose Besatzungstätigkeit in der Armee mit viel Muße für Lektüre und zeichnerische Arbeiten. Am Tag der Zeichnung (03.05.1918) notiert Oeltjen im Tagebuch. "Traum mit Elsa – überraschendes Erwachen. – Ich zeichne, wiederhole Sachen, die mir nicht gelungen scheinen. – Vielleicht aquarelliere ich. Natur suche ich – ich finde manches in der Oede. – "
Die Zeichnung stellt eine solche Friedenssituation dar, ein Paar sitzt offenbar an einem felsigen Strand. Er lehnt sich an einen Felsbrocken und wagt den Blick nach außen; sie hat ihm den Blick zugewandt. Die Zeichnung ist flüchtig ausgeführt mit grober Schraffur, aber Oeltjen vermerkte ihre Geltung mit seinem Monogramm.

 

Provenienz: Vorlage hier als Negativ aus der Sammlung Gerda und John Blohm, Bremen;

Oeltjens Tagebücher als Fotokopie im Künstlerhaus Jan Oeltjen

Digitalisierung und Transkription: Volker Maeusel

22.12.2022

Jan Oeltjen begann 1899 an der Technischen Hochschule in Hannover ein Architektur-Studium, das er nach zwei Semestern abbrach, um an der Berliner Akademie der Künste zu studieren. Weil er dort nicht angenommen wurde, besuchte er zunächst die private Malschule von Franz Lippisch, verließ diese im Streit mit dem Lehrer, ging nach München und besuchte dort eine kunstgewerblich orientierte Einrichtung, ehe er - überwiegend in Italien - seine Studien autodiaktisch beendete.

Aus der Frühzeit als Architekturstudent (17.05.1900) stammt diese technische Zeichnung in "Darstellender Geometrie". Vier Tage vorher schrieb er an seine Mutter: "Dieser Brief wird Dir nicht sehr behagen, da er nur von dummen Geldangelegenheiten handelt. An der Hochschule muß man nämlich doch etwas anders auftreten, als auf dem Lande."

 

Provenienz: in einem ehemaligen Wohnhaus von Jan Oeltjen gefunden, jetzt im Besitz des Künstlerhauses Jan Oeltjen; dort auch die Kopie vom Brief an seine Mutter

Fotografie bzw. Transkription: Volker Maeusel

21.12.2022

Eine irritierende, ja verstörende Zeichnung von Jan Oeltjen zeigt zwei Skelette beim Geschlechtsakt. Was ein Beispiel einer kruden Fantasie zu sein scheint, hat einen deutlich tieferen Hintergrund.

Schlüssel zum Verständnis ist das Datum der Zeichnung: Am 29.06.1918 befand sich Oeltjen als Leutnant in Lettland; seine Truppe hatte als Besatzungsmacht zu agieren und plünderte dabei offensichtlich das Land aus. Gefechtsaktionen gab es nicht mehr, das Risiko existentieller Gefahr hatte sich minimiert.

Rein aus Übungszwecken war Oeltjen dazu übergegangen, "Muskel- und Skelettmänner" zu zeichnen und beschrieb das Gelingen solcher Arbeiten als kathartisch: "Vorgestern war mein Kopf nach einer nach Mühen gelungenen Vorstellung dieser Art, wie gewaschen, wie durchspült" (Tagebuch vom 26.06.1918). Am 29. Juni dann notierte Oeltjen, er habe die Tagebücher von Leo Tolstoi zu Ende gelesen und damit erklärt sich die Zeichnung relativ einfach: Tolstoi hatte ein schlichtweg gestörtes Frauenbild. Selbst nach damaligen Zeitvorstellungen war es kaum möglich, seine weiblichen Figuren als Heldinnen im Wortsinn zu begreifen, wie Tolstoi sie selbst durchaus nennt. Sie straucheln über ihre Sinnlichkeit und sind geistig dem Mann keineswegs ebenbürtig, sondern hindern ihn an seiner Entfaltung, mit der Hochzeit falle der Mann gewissermaßen Räubern in die Hände. In seiner 1899 erschienenen Skandalnovelle "Kreutzer-Sonate" schildert Tolstoi den scheinbar gerechtfertigten Mord an einer Ehefrau wegen des bloßen Verdachtes einer Untreue. Im Nachwort predigt Tolstoi Enthaltsamkeit und fordert auf, man müsse die "sinnliche Liebe nicht als einen poetischen, erhabenen Zustand ansehen, sondern als einen den Menschen erniedrigenden, tierischen Zustand". Der von ihm propagierte Verzicht auf die sinnliche Liebe führt bei Tolstoi nur deshalb nicht zur (wie er es nennt) "Ausrottung der Menschheit", weil die Menschen zu dieser sittlichen Konsequenz nicht fähig sind. Übrigens auch Tolstoi nicht, das sei hier nebenbei erwähnt: Er belastete seine ihm durchaus geistig ebenbürtige Frau mit sechzehn Schwangerschaften. Oeltjen fasste seine Gedanken zu Tolstoi am Tag der Federzeichnung prägnant zusammen: "Ich spüre, es muss bei T. irgendwo eine falsche Voraussetzung stecken. Die Sinnlichkeit ist ihm Sünde." Die Konsequenz tolstoischen Denkens drückte Oeltjen treffend im Bild der kopulierenden Skelette aus.

 

Provenienz: Vermutlich Privatbesitz, die Vorlage hier als Negativ aus der Sammlung Gerda und John Blohm, Bremen

Für den Wortlaut der Kreutzer-Sonate: Projekt-Gutenberg.org

Für Oeltjens Tagebücher: Fotokopie im Künstlerhaus Jan Oeltjen

Digitalisierung: Volker Maeusel

 

20.12.2022

Für einen simplen Kegel eine relativ große Arbeit (40,5 x 29 cm), die Elsa Kasimir vermutlich 1908 an der Kunstgewerbeschule in Wien ablieferte. Die Sigle unten links deutet auf ihr viertes Schuljahr hin; sie begann die Ausbildung 1904. Damit gehörte sie nicht zu den ersten Künstlerinnen, die in Wien eine professionelle Ausbildung erhielten - das war an der Kunstgewerbeschule als Nachwuchsquelle für Industrie und Handwerk bereits seit der Gründung 1877 möglich.
Auch wenn es sich um eine Übung im Freihandzeichnen von geometrischen Formen gehandelt haben muss, erschrickt die banale Ausführung angesichts der kreativen Fülle, über die die Künstlerin damals bereits verfügte.

 

Provenienz: im Nachlass
Fotografie: Volker Maeusel

19.12.2022

Generell arbeitete Jan Oeltjen wenig an Winterbildern. Das war dem Umstand geschuldet, dass seine bevorzugten Wasserfarben bei Frost nicht verabeitet werden konnten, aber darüberhinaus fehlten ihm im Winter die Farben, die er in seinen Landschaften suchte. Das Glitzern von Schneeflächen entsprach nicht seiner Palette. Bezeichnenderweise sind seine ausdruckstärksten Eis- und Schneearbeiten als Holzschnitte gearbeitet (z. B. der Zyklus "Eisstoß" aus dem Ersten Weltkrieg). Die heutige Arbeit aus dem Januar 1948 zeigt einen verschneiten Wald mit Schlittengespann: Oeltjens Wald war zunehmend ein Ort der Arbeit und nicht der Erholung geworden. Aufmerksamen Augen mag die Zeichnung noch von der Ausstellung der "Späten Zeichnungen" 2017 im Künstlerhaus bekannt sein...

 

Provenienz: aus dem Kunsthandel erworben, Privatbesitz

Foto: Volker Maeusel

18.12.2022

Alois Kasimir wurde hier in den letzten Tagen bereits mit einer Federzeichnung und einer Radierung präsentiert. Darüber hinaus reüssierte er noch in einer weiteren Technik/Gattung der Bildenden Kunst, wenngleich es noch Jahrzehnte bis zu deren vollständigen Akzeptanz dauern sollte; er war einer der Fotopioniere in der südlichen Steiermark; sein Oeuvre stellt heute noch eine Bereicherung der slowenischen Archive dar - so sie denn darüber verfügen. Diese frühe Fotografie, handschriftlich auf der Platte auf den 10.09.1896 datiert, zeigt das Weingut Varea. Wer immer das Blatt erstellte, schrieb dazu: Varea Weingebirge, was aufgrund der offensichtlichen Sinnlosigkeit auf dem Foto korrigiert wurde. Es zeigt jedoch, wie früh bereits dieses Weingut in den Fokus der Familie geriet, ehe Jan Oeltjen es nach der Hochzeit erwarb und auf seine Frau überschreiben ließ.

 

Provenienz: Aus dem Nachlass

Scan: Volker Maeusel

17.12.2022

Die größte Ehekrise, die Jan Oeltjen und Elsa Oeltjen-Kasimir zu bewältigen hatten, datiert auf den Sommer 1925. In diese Zeit fällt ein erster gemeinsamer Aufenthalt auf Sylt im Klappholttal. Im kurz zuvor gegründeten Freideutschen Jugendlager, aus dem sich eine Heimvolkshochschule entwickelte, gab es die Beziehungen zur Reformbewegung, die aus dem Kürbisfoto ersichtlich sind. Wie wohltuend das Erlebnis auf Sylt für die Beziehung des Paares war, erhellt der (gescheiterte) Plan, ein Grundstück vor Ort zu erwerben. Damit ist auch die Frage nach dem Ort der hier vorgestellten Strand-Aquarelle gelöst, hier noch ein Brandungsmotiv dieser Zeit. Fortan trug Elsa Oeltjen-Kasimir die "Reformkleidung" übrigens öfter - und das Ölbild von bislang 1923 muss umdatiert werden!

 

Provenienz: aus dem Nachlass, Privatbesitz

Foto: Volker Maeusel

16.12.2022

Das heutige Foto zeigt Elsa Oeltjen-Kasimir bei der Kürbisernte im eigenen Garten.
Der offenkundige Zusammenhang zu ihrer Heimat trügt: Steirisches Kürbiskernöl, heute von bedeutendem Ruf, gewann diesen erst in den letzten Jahrzehnten - es handelt sich jedoch um den Garten in Jaderberg...
Irritierend ist die Kleidung, die scheinbar in den Bereich der Reformbewegung gehört: Schillerkragen, Kniebundhosen, dazu von groberer Machart. Es wirkt, als habe Jan Oeltjen dieses Foto als Vorlage genutzt hat, um eine Szene in der Haloze zu malen (WVZ JO-Öl-23-13); die Elsa dieses Bildes trägt jedenfalls die an ihr gewohnte Kleidung, ein einfaches blaues Kleid. Ruth Oeltjen hat das Foto ihrer Mutter jedoch auf 1926 datiert, damit wäre es erst NACH dem Ölbild entstanden. Morgen mehr dazu...

 

Provenienz: im Nachlass

Scan: Volker Maeusel

15.12.2022

Dieses kleinformatige Aquarell, in dem Jan Oeltjen die Auflösung der Gegenständlichkeit extrem vorangetrieben hat, datiert fast zeitgleich mit dem gestrigen Kalender-Blatt. Aber hier ist es nicht eine einsame Figur am Strand - es sind zwei Personen, deren Nähe gleichwohl eine gespannte Distanz inneliegt. Das korrespondiert mit dem Tagebuch: Im Juli berichtete Oeltjen von einem friedlichen Strandtag in Dangast; kurz darauf brachen  die Einträge ab, nachdem er zuletzt nur noch von Zerwürfnissen bis zur Handgreiflichkeit zu berichten wusste. Offenbar arbeitete das Paar an sich, denn Mitte November folgt der erlösende Ausruf: "Unser Zusammenleben, Elsa u. ich, fast ununterbrochen so, wie es nicht besser zu wünschen. Wohin ging verlor sich meine Besessenheit." Um welchen Strand es sich auf diesen Herbstbildern handelt, wissen wir aber leider immer noch nicht...

 

Provenienz: im Nachlass

Digitale Ablichtung: Volker Maeusel

Tagebuch vom 23.09.1924-20.11.1925 in Kopie im Künstlerhaus Jan Oeltjen vorhanden

Transkription: Volker Maeusel

14.12.2022

Heute und morgen kommt eine rätselhafte Episode, die vorerst nur aus zwei Bildern, einem Tagebucheintrag und einigen mageren Vermutungen besteht.

Das Aquarell von heute, eine offenkundig zügig gearbeitete, gleichwohl reizvolle Stranddarstellung von Elsa Oeltjen-Kasimir, zeigt eine einzelne weibliche Figur mit blanken Beinen an der Brandung laufend. Angesichts der Jahreszeit (Okt. 1925) für hiesige Verhältnisse etwas ungewöhnlich; nicht auszuschließen ist daher ein Mittelmeerstrand. Das Blatt ist jedenfalls nicht nachträglich gearbeitet, die Ausblühungen im ganzen Blatt sind auf den Sand und die Salzkristalle der Strandluft zurückzuführen.

Tatsächlich ist nicht bekannt, wo sich das KünstlerIn-Paar im Herbst 1925 vor dem November aufhielt. Dazu morgen mit einem Blatt von Jan Oeltjen mehr...

 

Provenienz: "Geschenk von Ruth Oeltjen" (rückseitiger Vermerk), Privatbesitz

Scan: Volker Maeusel

13.12.2022

Heute wird es noch einmal etwas textlastig.

Der Satz oben, Jan Oeltjen sei ein "'kühner Landschafter von erstaunlicher Fein- und Vollfarbigkeit" stammt aus der Wiener Zeitung vom 01.07.1919 und bezieht sich auf die Ausstellung "Das neue Auge" in der Galerie Miethke, einem der damaligen Zentralpunkte der Wiener Moderne. Wenn Oeltjen dort für seine Fein- und Vollfarbigkeit hervorgehoben erscheint, dann liegt dem sein Ringen um die Farbwirkung zugrunde, das heute nur noch in Teilen nachvollzogen werden kann. Die Farben haben sich verändert, teils haben sie sich ihrem Alterungsprozess in heute stimmiger Weise untergeordnet, teils haben sie massive Verluste an Frische und Strahlkraft erleiden müssen. Damit ist uns bei Oeltjens Aquarellen die originale bzw. beabsichtige Farbwirkung verschlossen. Es gibt keine farbigen Darstellungen zumindest der frühen Jahre, zu denen die 1920er Jahre noch großzügig gerechnet werden dürfen. Bei Druckerzeugnissen dieser Zeit aus Presse oder gewerbsmäßigem Kunsthandel ließe sich - natürlich nur mit immensem Aufwand - ein technisches Verfahren initiieren, das die intendierte Farbwirkung annähernd abbilden ließe.

 

Allerdings können wir schon zeitnah beim Künstler selbst Auskunft erhalten, dass sich die Farbigkeit seiner Aquarelle bereits in erschreckend kurzer Zeit veränderte: In einem kleinen Experiment notierte er nach einem Zeitraum von zwei Jahren die Tendenzen bestimmter Farben. Mehr als die Hälfte waren nicht mehr mit dem Original identisch. Der Eintrag stammt aus dem Tagebuch vom 07.05.1922:

 

Aquarell: März 1920 – März 1922

Cadm. hell                       fast ganz ausgebleicht.

Cadm. dkl. alte F.             etwas heller

Cadm. dkl. neue Farbe     hellbraun geworden

Neapelg. neue Farbe        hellbraun geworden

Neapelg. alte Farbe          bedeutend gebleicht

gelb. Ultramarin               unverändert

Marsgelb                          unverändert

l. Ocker                            unverändert

Krapp dkl                         unverändert

Zinnober hell                   wenig stumpfer

Zinnober chines.              etwas stumpfer (blau)

Vermillon (W N.)               etwas stumpfer

Kobalt                              unverändert

Ultr.                                 unverändert

pr. Blau                            unverändert

 

Provenienz:

Wiener Zeitung Nr. 148 vom 01.07.1919, S. 18.1919-07-01 Nr. 148,  S. 18.;

Tagebuch vom 27.02.-08.09.1922 in Kopie im Künstlerhaus Jan Oeltjen vorhanden

Transkription: Volker Maeusel

 

12.12.2022

Das heutige Blatt (63 x 44 cm, Bleistift, Kohle, weiß gehöht) stellt eine Zuschreibung an Jan Oeltjen dar - das Künstlerhaus erhielt es in diesem Jahr mit vertrauenswürdiger Zusicherung, es sei von Oeltjens Hand.
Bei vorsichtiger Öffnung des Rahmens aus konservatorischen Gründen ergaben sich zwar keine Belege für seine Urheberschaft, die Zeichnung steht jedoch stilistisch in deutlicher Nähe zu einer seiner frühesten Arbeiten ("Jamlitz Sommer 1902", im Besitz des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg) und wäre somit in die Zeit zu datieren, als Oeltjen sich mit der Malschule von Franz Lippisch im Spreewald aufhielt. Fotos aus Jamlitz zeigen in der Tat solche Staketenzäune wie den hier abgebildeten.

 

Provenienz: aus Privatbesitz
Foto (leider nur in schlechter Qualität): Volker Maeusel

11.12.2022

Schnell können sich Erkenntnisse wandeln: Hieß es hier noch am 01.12., "nach jetzigem Kenntnisstand" sei Elsa Kasimir mit ihrem Bruder 1909 nach Rom gereist (weil die Albertina in Wien römische Skizzenbücher von Luigi Kasimir aus dem Jahr 1909 besitzt), so muss nun davon ausgegangen werden, dass sie sich dabei in der Obhut ihres Vaters befand. Eine Reise ohne elterliche Begleitung hätte den Grad ihrer Selbstständigkeit jedoch ganz anders und deutlich moderner erscheinen lasssen. Nach österreichischem Recht wurde sie ohnehin erst 1911 volljährig, im Jahr ihrer Hochzeit.
Diese Radierung von Alois Kasimir zeigt eine Szene vom Forum Romanum - vermutlich die Phokas-Säule vom Septimius-Severus-Bogen aus gesehen. Wesentlich ist die rechts unten am Rand in der Schraffur versteckte Datierung "3.9.09"

 

Provenienz: aus dem Nachlass erworben, Privatbesitz
Foto: Volker Maeusel

10.12.2022

Vom Tag, als die Welt unterging: Dieses idyllische Aquarell von Jan Oeltjen, in Farbe und mancher Formgebung noch seine Beinflussung durch Cézanne widerspiegelnd, zeigt eine harmlose ländliche Szene. Es handelt sich um Varea, den Weinhof von Jan Oeltjen und Elsa Oeltjen-Kasimir. Ein Weg mit Gabelung zu zwei Gebäuden, flankiert von Bäumen, deren Schatten die Sonnenhitze fernhält. Einige Personen am rechten Bildrand im Gespräch oder bei der Pause.

An diesem Tag brach der Erste Weltkrieg aus.

Aus einem Verzeichnis, das Oeltjen viele Jahre später angelegt hat, kann anhand dieser Nummer links unten der Titel des Bildes eruiert werden: "Stierstall und Brennereiecke" klingt wie eine visonäre Beschreibung der kommenden Jahre...

 

Provenienz: Aus dem Nachlass erworben, Privatbesitz

Foto: Volker Maeusel

09.12.2022

Diese Bleistiftzeichnung von Jan Oeltjen stellt ein ungewöhnliches Selbstportrait dar: Kaum einmal wird bei einem Selbstbildnis die Variante "en profil" gewählt, weil die KünstlerInnen überwiegend mit einem einfachen Spiegel arbeiten. Ob Oeltjen hier mit mehreren gewinkelten Spiegeln oder mit einer Foto-Vorlage arbeitete, lässt sich nicht mehr entscheiden. Auffällig ist der unsichere Strich von Oberlippe bis unter das Kinn. Offenkundig hatten die Zeichen der Zeit, die hier zu Tage traten, den Künstler überrascht. Der skeptisch-missmutige Blick war bei einem Selbstbildnis Oeltjens zwar durchaus nicht ungewöhnlich, passt aber auch in besonderer Weise zu dem angebenen Datum vom 12.06.1948: Er fing zwar langsam an, im Jugoslawien des Nachkriegs Fuß zu fassen, hatte sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht für den Verbleib im Land entschieden.

 

Hier folgt einmal, die Vorgabe von zehn Zeilen für den Adventskalendereintrag deutlich sprengend - eine Passage aus einem Brief, den Oeltjen fast zeitgleich zum Selbstportrait am 02.07.1948 an Adolf Schinnerer schrieb. Von Schinnerer hatte Oeltjen sich vierzig Jahre zuvor die ersten Ratschläge zur Radiertechnik geholt und in der Folge hatte sich ein lockere Freundschaft entwickelt; der im offiziellen Kunstbetrieb wesentlich erfolgreichere Schinnerer hatte Oeltjen mehrfach zu Ausstellungsbeteiligungen der Münchener Neuen Secession verholfen, in deren Leitung er tätig war. Im Vorjahr hatte er jedoch fast alle Ämter aufgegeben und war in den Ruhestand getreten.

 

"Ein halbes Jahr ist es her, seit ich Ihnen schrieb – eine lange Zeit. Es waren für mich ziemlich krause Monate – für alle Fragen ausschließlich selber eine Antwort suchen, alle Anregung durch sich allein auf die Beine bringen – dazu die zeitlichen u. täglichen Sorgen auch allein bewältigen. Es ist ziemlich scheußlich, wenn man merkt, dass es möglich ist, sich selber zu verlieren. Wie durch ein Wunder wurde ich schließlich immer wieder ins Geleise gebracht. In solchen Zeiten verkriecht man sich am besten.

Gearbeitet habe ich, zwar nicht mit Hartnäckigkeit und sehr langsam - es scheint nun wieder bergan zu gehen."

 

Provenienz

a) für das Bild: Sammlung Gerd und John Blohm, Bremen

Digitalisierung: Volker Maeusel

b) für den Brief: Jan Oeltjen an Adolf Schinnerer, Brief vom 02.07.1948.

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Deutsches  Kunstarchiv,

Nachlass Jan Oeltjen (Bestand 487) I, C – 173

Transkription: Volker Maeusel

 

08.12.2022

 

Ein Blatt von knapper A4-Größe, der ausgerissene Rand ist digital beschnitten:

Die Arbeit stammt von Alois Kasimir (1852-1930), dem Vater von Elsa Kasimir. Gelernter Buchbinder, danach Kadettenanstalt und Militärlaufbahn, brach er mit 28 Jahren seinen bisherigen Lebensgang ab und wurde - Maler! Sein kreatives Talent mag begrenzt gewesen sein, aber er war versiert in den gängigen Techniken (während des Weltkrieges unterrichtete er im Gymnasium von Pettau als Zeichenlehrer) und gehörte zudem zu den ersten Fotografen Sloweniens.

Diese Federzeichnung, ein Interieur eines Palastes oder Schlosses, zeigt sich jedenfalls bedeutend kühner als seine gewöhnlich präzise und gediegen ausgeführten Arbeiten.

 

Provenienz: aus dem Nachlass erworben, Privatbesitz

Foto: Volker Maeusel

07.12.2022

Ein weiteres Exemplar aus Oeltjens Bibliothek bibliophiler Raritäten: Die seltene Ausgabe von Melchior Lechters "Tagebuch der indischen Reise" ist auf dem Titelvorsatz handschriftlich in Tinte mit "J. Oeltjen" gekennzeichnet. Dieser Besitzvermerk ist übrigens identisch mit Oeltjens Signatur...

Melchior Lechter war auch als Illustrator für den Buchschmuck der Stefan-George-Ausgaben verantwortlich, die hier am 05.12. erwähnt wurden. Die deutlich erkennbaren Anklänge an die Kelmscott Press von William Morris sind eine direkte Übernahme von dessen Forderungen an ein schönes Buch.

Bereits diese Beispiele können belegen, wie hoch Oeltjens finanzieller Aufwand beim Sammeln seiner Bibliothek gewesen war; heute liegt dieses Buch bei etlichen hundert Euro.

 

Provenienz: Kunsthandel/Privatbesitz

Foto (leider nur in schlechter Qualität): Volker Maeusel

06.12.2022

Jan Oeltjen hatte vom Weinbau keine Ahnung, als er kurz nach der Hochzeit den in der Nähe des Weinguts seiner Schwiegereltern liegenden kleinen Weinhof Varea kaufte und seiner Frau überschrieb. Die deutschsprachige Oberschicht der Kollos, wie die Landschaft der Haloze damals noch genannt wurde, beschäftigte dafür die von Sprache, Religion und Ethnie getrennte Bevölkerung als Tagelöhner. Während der dreieinhalb Jahrzehnte als Weinbauer beschäftige sich Oeltjen mehr mit den bildlichen Reizen der Tätigkeit; prototypisch kann sein Holzschnittzyklus "Weinlese" (um 1920) betrachtet werden. Auffällig dabei ist, dass er das (Zer-)Treten der Trauben mit den blanken Füßen nie abbildete. Diese Bleistiftskizze aus dem Nachlass stellt insofern eine Ausnahme dar. Sie findet sich auf der Rückseite einer auf 1956 datierten Zeichnung eines pflügenden Bauern.

 

Provenienz: Kunsthandel, Privatbesitz

Scan: Volker Maeusel

05.12.2022

Über die Jahreswende 1924/25 musste Elsa Oeltjen-Kasimir sich einer Höhen-Kur in Österreich unterziehen; vermutlich litt sie an Tuberkulose. Die Unterbringung war kostspielig und ohne Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit war sie allein auf geringe Summen angewiesen, die vom Weinverkauf herrührten - und die Beträge, die Jan Oeltjen - in Jaderberg wohnend - aus unterschiedlichsten Quellen beisteuerte (Es waren noch die Auswirkungen der Hyperinflation, die zu dem geschilderten Devisenwirrwarr führen). Am 24.01.1925 schrieb er ihr dann vom Verkauf zweier bibliophiler Kostbarkeiten seiner Sammlung; für zwei Erstausgaben von Stefan George (Siebenter Ring und Maximin) hatte er 420 Mark bekommen. Antiquarisch liegen diese beiden Bände heute bei rund 6.000 Euro...

 

Provenienz: Jan Oeltjen an Elsa Oeltjen Kasimir, gescannte Briefpassage vom 25.01.1925

Scan: Volker Maeusel

04.12.2022

Noch einmal eine Arbeit von der Italienreise, die Elsa Kasimir 1909 unternahm. Diese Bleistift-Miniatur der Brücke Ponte Pietra in Verona stammt aus einem Kalender des selben Jahres, den die Künstlerin als Notiz- und Skizzenbuch nutzte. Das geringe Format (12,5 x 7,5cm) hatte einige oft unverständliche Detailzeichnungen zur Folge; diese Seite sticht durch ihre zusätzliche Beschriftung hervor. Dabei unterlief der Künstlerin ein für Sprachunkundige typischer Fehler: Sie ging davon aus, die Brücke habe ihren Namen vom benachbart gelegenen Castel S. Pietro und sei somit nach dem heiligen Petrus benannt. Tatsächlich heißt die Brücke aber schlicht "Ponte Pietra", also übersetzt "Steinbrücke". Sie geht in ihren Ursprüngen und ältesten Bauteilen auf römische Zeit zurück.

 

Provenienz/Herkunft: aus dem Nachlass

Scan: Volker Maeusel

03.12.2022

Luigi Kasimir (1881-1962, eigentlich Alois Heinrich), der Bruder von Elsa Kasimir, galt im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts als großer Künstler, als Erneuerer der Stadtvedute und Begründer einer speziellen Technik der Farbradierung. Nach 1945 wurde ihm berechtigterweise immer wieder sein opportunistisches Verhalten vorgeworfen, mit dem er sich zunächst den Nationalsozialisten angedient habe, um aus der Nähe zu den Machthabern letztlich durch Arisierungen finanziellen Vorteil zu ziehen. Seine charakterlichen Schwächen beiseite gelassen, war Luigi Kasimir jedoch ein hochbegabter Graphiker.

Dieses Titelblatt seiner Abiturzeitung von 1900 zeigt ihn noch gänzlich dem Art Nouveau verpflichtet. Im selben Jahr begann er ein Studium an der Akademie der Künste in Wien; fortan verlor sich sein Bezug zum Jugendstil.

 

Provenienz/Herkunft: aus dem Nachlass erworben, Privatbesitz

Foto: Volker Maeusel

02.12.2022

Im Frühjahr bekam das Künstlerhaus eine Schenkung - etliche Magazine mit Dias und einige Negativstreifen aus der Sammlung des Ehepaares Gerda und John Blohm in Bremen. Gerda Blohm, eine weitläufige Verwandte von Jan Oeltjen, hatte ihn mehrfach in Ptuj besucht und nach seinem Tod noch Kontakt mit seiner Lebensgefährtin Ida Schneider gehabt. Diese Abbildung einer Radierung, die längst als Verlust betrachtet werden muss, ist eine Rarität! Dargestellt ist in Jan Oeltjens typischer Kaltnadelmanier die Pont St. Michel in Paris - und das ist der einzige bildliche Beleg für seinen kurzen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt im Sommer 1907, von dem wir sonst nur aus der Korrespondenz mit seinem Freund Albert Wenner wissen.

 

Provenienz/Herkunft: Sammlung Gerda und John Blohm, Bremen

Digitalisierung: Volker Maeusel

01.12.2022

Der Adventskalender beginnt mit einer Skizzenbuchseite (17 x 21 cm) von Elsa Kasimir aus dem Sommer 1909.

Nach jetzigem Kenntnisstand reiste sie mit ihrem Bruder Luigi nach Rom. In diesem Zusammenhang entstand die Bleistift-Zeichnung "Atzwang". Dargestellt ist der Ansitz Hochatzwang, ein aus dem 16. Jahrhundert stammender Adelssitz rund zehn Kilometer nordöstlich von Bolzano/Bozen. Die ungewöhnliche Dachform lässt das Gebäude unfertig erscheinen, macht es aber noch heute zu einem beliebten Fotomotiv.

Stilistisch enthält die kleine Zeichnung eine Reihe von typischen Eigenheiten Elsa Kasimirs: von unten gegen einen dunklen Hang abgebildetes helles Gebäude, rundliche Felsstrukturen und annähernd quadratische Vignette.

 

Provenienz: aus dem Nachlass erworben, Privatbesitz

Foto/Scan: Volker Maeusel

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