Willkommen zu unserem diesjährigen Adventskalender, dem nun schon dritten in Folge.
Die statistischen Auswertungen der letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass die Besuchs- und Zugriffszahlen in den 24 Tagen vor Weihnachten doppelt so hoch sind, wie zur übrigen Zeit des Jahres: Daher glauben wir daran, dass der Adventskalender gerne gelesen wird.
Die "Regeln" sind einfach: Ein Bild, eine Abbildung, ein Foto oder derlei mehr aus dem Umfeld von Jan Oeltjen oder Elsa Oeltjen-Kasimir. Das Urheberrecht muss bei uns sein, dass grenzt die Materialien naturgemäß ein. Begleitender Text in der Regel nicht mehr als zehn Zeilen, aber das kann schwanken. Veröffentlicht wird bis 20.00 Uhr für den jeweiligen Tag.
24. Dezember
Akte am Strand, undatiert (nach 1911), Pastell
Fotografie aus der Schenkung Blohm, Reproduktion: Volker Maeusel
Wir beenden unseren diesjährigen Adventskalender mit einer Pastellzeichung von Elsa Oeltjen-Kasimir. Das Blatt, dessen Verbleib unbekannt ist, zeigt ein Paar am Strand, zurückgezogen in die
Schatten der Felsen und die Umwelt vom Idyll ausschließend. Den Kundigen sind die Akte unschwer anhand der Monogramme am unteren Bildrand als Elsa Oeltjen-Kasimir und Jan Oeltjen zu
dechiffrieren.
Nach etlichen Beispielen zu den Brandungsfelsen von Forio/Ischia lässt sich auch dieses Blatt entsprechend einordnen.
Es korrespondiert zudem mit dem letztjährigen Kalenderblatt vom 24.12., das Jan Oeltjen im Kriegswinter 1916 an der Front mit einem annähernd identischen Motiv, aber bereichert durch das Zukunft
symbolisierende Segelboot gemalt hatte. 1911, als das Pastell vermutlich entstand, war die gemeinsame Zukunft noch ungetrübt und musste nicht im Bild verdeutlicht werden.
Wir wünschen allen Betrachtenden unserer Homepage ruhige und der Erholung dienliche Festtage zum Jahresende. Kommen Sie gut in das neue Jahr und bleiben Sie gesund. Ab Mitte Januar hängt wieder Graphik von Jan Oeltjen in unseren Räumen in der Bahnhofstraße 4 in Jaderberg. Wir freuen uns auf Sie sonntags zwischen 15.00 und 18.00 Uhr!
23. Dezember
Heimkehrer im Wald, 8.12.1947, Bleistiftzeichnung
Künstlerhaus Jan Oeltjen, Foto: Volker Maeusel
Auf diesem blau-grauen Papier hat Jan Oeltjen einige Wochen später eine der wenigen Winterlandschaften gezeichnet, die wir von ihm kennen (vgl. Adventskalender vom 19.12.2022). Dieses Blatt des 67jährigen Künstlers stellt also scheinbar ein romantisierendes Winteridyll dar. Ein Heimkehrer strebt im Wald schwer beladen seinem Wohnhaus zu, das erkennbar dem Weinhof Varea ähnelt.
Tatsächlich müssen von diesem frohen Motiv Abstriche gemacht werden; legt man das Blatt biographisch aus, wartet niemand auf den einsamen Wanderer, dem nach der Enteignung nicht einmal mehr das Haus gehört.
Oeltjen konstatierte das nüchtern an seinen alten Freund Adolf Schinnerer gerichtet (Brief 3.1.1948):
"Ich bin so ganz u. gar auf mich allein angewiesen, dass ich notwendigerweise anfangen muss zu grübeln. Früher war es meine Frau, die in allen meinen malerischen Nöten immer weider mit sicherem Gefühl den notwendigen Weg mir weisen konnte. Es ist schwer allein - sich nicht zu verirren." Das ist es, was das Blatt letztlich ausdrückt: die bittere Notwendigkeit, weiterhin ein Ziel vor Augen zu haben.
22. Dezember
Hohrod, 3.12.1916, Aquarell
Fotografie in der Schenkung Blohm, Reproduktion: Volker Maeusel
Am heutigen Blatt lassen sich leicht die Möglichkeiten erkennen, die sich Jan Oeltjen malerisch geboten hatten. Der Ort Hohrod liegt in den Vogesen, militärisch handelte es sich um ein
Etappenlager außerhalb der Gefechtszone. Das Regiment wurde einen Monat später an einen ruhigeren Abschnitt der Front verlegt, vorausgegangen waren zwei Monate Einsätze in der vordersten Linie;
die Verleihung des Eisernen Kreuzes an Jan Oeltjen stand kurz bevor. Und was malte Oeltjen? Wie malte er? Derselbe Künstler, dem die Komposition der Linien und Flächen zeitlebens wichtiger war, als
die Farbigkeit, trieb nach diesen existentiellen Erfahrungen die Auflösung der Gegenständlichkeit bis fast in die reine Abtraktion vor. Stilistisch ein Scheideweg, an dem er sich retrospektiv
betrachtet gegen die Abstraktion und somit für eine konservativere Richtung entschied - damals war das nicht abzusehen:
"Es nimmt ja sogar Cassirer [Galerie in Berlin] meine Aquarelle, was will ich dann noch, kann ich da nicht ruhig sein" (Brief an Elsa Oeltjen-Kasimir vom 9.12.1916).
21. Dezember
Bagnaia (= WVZ Graphik Rad. 30), 26,9 x 22 cm auf 35 x 25 cm, Radierung
Schenkung Werner Struck, Reproduktion: Volker Maeusel
Briefwechsel Oeltjen-Schinnerer heute im Original im Deutschen Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg
Digitalisierung bzw. Transkription: Volker Maeusel
Das heutige Blatt stammt wieder aus einer frühen Phase, in der sich Oeltjen autodidaktisch mit der Radierung beschäftigte. Dazu gibt es ein eindeutig kundigeres Urteil. Der Künstler Adolf Schinnerer, mit dem Oeltjen in schriftlichem Austausch stand, urteilte am 6. Januar 1909 darüber:
"Famos find ich auch das große Blatt mit dem Fass gesehen u. wenn Sie die Platte kleiner genommen hätten wäre sicherlich etwas feines daraus geworden, so befriedigt mich das Blatt nicht ganz. Auch der missglückte Druck mag das seinige dazu beitragen u. der nicht richtig bewegte Mann im Vordergrund. Das Blatt müssen Sie umarbeiten. Ich denke mirs fein, wenn Sie das feuchte, was so ein Keller hat, herausbekommen; alle die großen ungeschlachten Gegenstände die so eckig herumstehen u. die kräftig bewegten Menschen als Gegensatz. Ich würde es mit mehreren Ätzungen machen, wenn Sie z. B. nur die Hemden der Männer früher abgedeckt hätten, wäre eine neue Farbe entstanden, die der Dunkelheit links mehr Tiefe gegeben hätte."
20. Dezember
Weinarbeiterin, Kohlezeichnung, 31.10.1942
Foto in der Schenkung Gerda Blohm, Reproduktion: Volker Maeusel
Es handelt sich um die letzte große Werkgruppe, die Elsa Oeltjen-Kasimir noch bearbeitet hat: Eine Reihe Zeichnungen zur ländlichen Arbeit in der Kollos/Haloze.
Hier eine Arbeiterin bei der Weinlese. Im Hintergrund ist das Weingut Maiberg (vgl. 6.12.) zu erkennen, rechts steht davon ein Klapotez (vgl. 1.12.).
Diese Arbeit zahlte sich für die Künstlerin aus. Es gibt Belege über staatliche Ankäufe:
Im März 1943 zahlte der Museumspfleger des Reichsgaues Steiermark 4500 Reichsmark für drei Handvoll Arbeiten, darunter "12 Handzeichnungen v. Jan und E. Oeltjen".
Nach dem Kaufkraft-Äquivalenzrechner der Deutschen Bundesbank entspricht das heute ungefähr 18.000,00 Euro!
19. Dezember
Chiesa del Soccorso, undatiert, Aquarell
Schenkung Blohm, Reproduktion: Volker Maeusel
Es war bereits angedeutet worden - die Brandungsfelsen von Ischia nehmen kein Ende...
Die Bedeutung dieses Strandabschnitts für Jan Oeltjen und Elsa Oeltjen-Kasimir liegt in der Bedeutung, die beide der Erinnerung an diese vermutlich glücklichste Zeit ihrer Ehe beimaßen. Ischia, Forio, bzw. "unser Strand" und Assoziationen einer paradiesischen Idylle finden sich durch das Werk gestreut. Hier nun einmal noch eine Darstellung von Jan Oeltjen, gemalt am Strand südlich der Chiesa del Soccorso, etwas weiter von Forio entfernt als die nördliche Seite, die unmittelbar an den Ortsrand anstößt. Der Verbleib des Blattes, sollte es überhaupt noch existieren (Zustand!), ist unbekannt.
Es wird in den nächsten Tagen zu diesem Thema noch einen allerletzten Adventskalenderbeitrag geben, dann aber von der Hand Elsa Oeltjen-Kasimirs.
18. Dezember
Burgstraße in Oldenburg, 1920, Radierung
Privatbesitz, Foto: Volker Maeusel
Das heutige Blatt ist zugleich ein Ausblick auf unsere nächste Hängung. Ab Mitte Januar 2024 wird Jan Oeltjens Graphik wieder einmal an unseren Wänden hängen. Dazu gehören auch einige Blätter mit Oldenburger Straßenansichten...
Ein vergleichbares Foto bietet die großartige Webseite zu Alt-Oldenburg:
https://alt-oldenburg.de/straen-a-k/burgstrae/index.html
Arbeiten dieser Art betrachtete Jan Oeltjen als Einnahmequelle. Diese Kunst lief. Aus heutiger Sicht doppelt verständlich, denn viele der abgebildeten Häuser solcher Radierungen existieren nicht mehr. Auch in der abgebildeten Burgstraße klafft heute eine große Lücke. Übrigens zeichnet sich am Himmel schwach das Dach des Theaters ab - Oeltjen war theateraffin.
Es soll - nach Oeltjens verhalten undeutlichen Worten - eine Arbeit von ihm geben, die das Schloss zeigt. So ein Blatt ist uns unbekannt. Es wäre großartig, sollte uns jemand dazu Auskunft geben können!
16. Dezember
Fohlenstudie, 29.5.1952, Bleistift auf Aktenpapier
Privatbesitz, Foto: Volker Maeusel
Diese kleine entzückende Studie wurde vor sechs Jahren bereits einmal im Künstlerhaus in der Ausstellung zu Jan Oeltjens "Späten Zeichnungen" präsentiert.
Es gibt einen deutlichen Hinweis, dass Oeltjen, obwohl auf einem großen Bauernhof in der Wesermarsch aufgewachsen, erst in seiner Dienstzeit als Soldat das erste Mal auf einem Pferd gesessen hat. Sein damaliger Wunsch, später mit seiner Frau Reitpferde zu besitzen, ging jedoch nie in Erfüllung. Von diesem Zeitpunkt aber finden sich Pferde in Oeltjens Werk. So schrieb er noch 1959, sieben Jahre nach der Fohlen-Skizze, an seinen guten Bekannten Walter Müller-Wulckow, den vormaligen Direktor des Oldenburger Landesmuseums: "Was ich male? fragen Sie! Immer dasselbe - Figuren Pferde Bäume Wälder".
16. Dezember
Campagna, Landschaft mit Schafherde, um 1908, Radierung
Privatbesitz, Foto: Volker Maeusel
Das heutige Bild geht nicht auf Jan Oeltjen zurück - oder vielleicht doch am Rande, aber dazu nach dem Hinweis auf den vorgeblichen Künstler.
Es gibt im Besitz der Sammlung Reinhart, Winterthur, ein dazugehöriges Ölgemälde von 1908. Das stammt vom schweizer Künstler Wilfried Buchmann (1878-1933), mit dem Oeltjen vor 1910 in Rom eng
befreundet war: Oeltjen fotografierte Buchmann, erwähnte ihn gelegentlich schriftlich, aber darüber hinaus sind die Spuren vewischt.
Buchmann war in seiner künstlerischen Entwicklung gewissermaßen ein Gegenentwurf zu Oeltjen, der sein eigenes Geld bzw. Erbe für den Aufenthalt in Rom und die dortige autodikatische Ausbildung zum
Künstler verbrauchte. Buchmann war hingegen auf einen Mäzen angewiesen und fand den im bekannten Sammler Theodor Reinhart, der ihn zwar finanzierte, dabei jedoch massiv Einfluss auf die Entwicklung
des Künstlers nahm und zudem die besseren Bilder beanspruchte.
Auffällig ist die Diskrepanz zwischen dem deutlich moderner wirkenden Ölbild und der eher konventionellen Radierung, die zumindest auf Oeltjens Stil hinweist; hier ist zu überlegen, ob Oeltjen und
Buchmann dabei gemeinsam tätig waren. Oltjens Presse wäre für diese sehr kleinformatige Radierung (8,7 x 13 cm) geeignet gewesen. Die Gedächtnis- und Verkaufsausstellung für Buchmann 1934 im Zürcher
Kunsthaus enthielt jedenfalls bei 255 präsentierten Arbeiten nicht ein einziges Blatt Druckgraphik!
15. Dezember
Chiesa del Soccorso, Öl/Lwd.
Fotografie aus der Schenkung Blohm, digitale Nachbearbeitung: Volker Maeusel
Mit der Bitte um Entschuldigung für die heutige Verspätung aufgrund von Festplattenproblemen nähern wir uns dem heimlichen Star unseres diesjährigen Adventskalenders von einer anderen Seite. Es geht wieder einmal um den Felsenstrand auf Ischia, der schon mehrfach behandelt wurde - heute einmal in der aufwändigeren Form eines Ölgemäldes von Elsa Oeltjen-Kasimirs Hand. Im zentralen Hintergrund ist die "Chiesa del Soccorso" zu sehen, die die Identifikation des Strandabschnitts so stark vereinfacht hat...
Zur Datierung lässt sich stilistisch allenfalls eine frühe Phase bis ca. 1912 angeben, was sich angesichts des Monogramms dann auf die Jahre 1911 und '12 beschränken lässt.
Der Verbleib des Bildes ist unbekannt.
Zum Strandabschnitt kommen wir in auch den nächsten Tagen noch; Material ist genug vorhanden!
14. Dezember
Herbarium, Pappe und Stoffstreifen
aus dem Nachlass, Foto: Volker Maeusel
Unser „Adventskalender“ war einmal gedacht, auch Dingen und Zusammenhängen Aufmerksamkeit zu widmen, die sonst leicht aus dem Blickpunkt von Museen und Galerien geraten. Der heutige Gegenstand ist
daher eine Papp-Mappe aus zwei mit Stoffstreifen verbundenen Deckeln (für das Siegel gibt es noch keine plausible Erklärung). Innen kurz nach der Heirat von Elsa Oeltjen (noch ohne Doppelnamen)
gekennzeichnet, zeigt der vordere Deckel das Etikett der früheren Besitzerin. Es handelt sich um ein Herbarium von Jan Oeltjens Schwester Helene aus ihrer Schulzeit an der privaten „Thalen-Schule“
für Mädchen in Oldenburg. Diese Schule lag zwischen Peter-Kirche und dem damaligen Krankenhaus Peter-Friedrich-Ludwig-Hospital. Die Schulausbildung von Helene Oeltjen führte schließlich, wenn auch
mit Umwegen, zum Erfolg. Sie studierte Medizin und war eine der Pionierinnen der Strahlentherapie.
Es gibt einen Artikel von Sabine Schicke über Helene Oeltjen im „Frauenlexikon Wesermarsch“, in diesem Jahr von Ursula Bernhold herausgeben. Ein lesenswerter und spannender Band mit vielen
aufschlussreichen Beiträgen!
13. Dezember
Elsas Grab, Aquarell, 1946
Farbfoto aus der Schenkung Gerda Blohm, Reproduktion: Volker Maeusel
Abermals eine Abbildung, die deutliche Spuren der Zeit trägt.
Die Farbstichigkeit der jahrzehntealten Fotografie wurde hier bereits behutsam digital retuschiert. Dabei ist der Verbleib des Originals unbekannt, ohne die Fotografie würden wir von dem Blatt nichts wissen.
1946 war eine dunkle, deprimierte Phase in Jan Oeltjens Leben. Kurz vorher aus einem jugoslawischen Internierungslager entlassen, hatte er noch kein neues Ziel vor Augen. Eine Anstellung kam (noch) nicht in Frage, die Besitzungen waren beschlagnahmt, Aufträge nicht in Sicht; auch eine Migration nach Deutschland war unmöglich.
Jan Oeltjen arbeitete reflexiv weiter. Aquarellfarben waren noch vorhanden. Das Bild zeigt, dass das Grab seiner Frau noch nicht mit dem von ihm geschaffenen Gedenkstein versehen war.
12. Dezember
"Anzio", "Juli 09", Aquarell
Privatbesitz, aus dem Kunsthandel erworben, Foto: Volker Maeusel
Die Zeit hat es leider nicht gut gemeint mit dem im (originalen?) Klapppassepartout montierten Aquarell von Jan Oeltjen.
Stockflecken haben sich bereits eingefunden...
Im Frühjahr 1911 war die Kunstszene von Oldenburg überrascht. Um in den Worten des damaligen Rezensenten der Oldenburger "Nachrichten für Stadt und Land" vom 15.1.1911 zu bleiben:
"Im Ausstellungssaal des Lappan [der damaligen Kunsthandlung der Firma Oncken] hat ein Landsmann seine Bilder ausgestellt, von dem man bisher so gut wie gar nichts wusste[...] Johann Oeltjen, dem
Jaderberger".
"Die Landschaft spiegelt überall den Zauber des Südens wieder, mit dem Italien den kühlen Norddeutschen empfing. Der Schmelz des Wassers, die auflösende Wirkung des rieselnden Sonnenlichts und das
wundersame zarte Grün, so ätherisch, wie man es selten sieht, zeigen die hervorstechendsten Eigenschaften des Malers an.
Man hat das bestimmte Gefühl, daß der erst Dreißigjährige noch zu bedeutungsvollem Schaffen berufen ist."
11. Dezember
aus dem Nachlass, Transkription: Volker Maeusel
Nach dem langen EIntrag von gestern kommt heute nur ein kurzer. Und es kommt kein BIld! Kein visuelles Bild zumindest. Jedoch werden die Verszeilen von Elsa Oeltjen-Kasimir sicherlich das eine oder andere Bild beim Lesen wachrufen.
Elegisch, verhalten zukunftsfroh - für die Beziehung des Paares scheinen die späten 1930er Jahre in der Tat eine gewisse Konsolidierung gebracht zu haben.
Wie glitzert der Frost
wie leuchtet der Schnee
mein Herz will gesunden
entschwinden das Weh.
Wie gläserne Zapfen
in Sonne zergehn
dein Herz ist geschmolzen
die Tage erstehn.
Vertrauen im Herzen
das Auge voll Blick
gewendet die Schmerzen
zu Wunder und Glück.
20.1.37
10. Dezember
Inventarverzeichnis Druckgraphik, um 1910
aus dem Nachlass, Reproduktion: Volker Maeusel
Heute gibt es einen umfangreichereren Eintrag.
Jan Oeltjen legte um 1910 ein undatiertes Verzeichnis seiner Sammlung mit Druckgraphik an. Einige dieser Seiten haben sich erhalten. Penibel hatte der Sammler die Preise aufgelistet, die er dafür
bezahlt hatte, wenngleich es keinen Beleg gibt, dass diese Summen auch korrekt benannt sind.
Er hatte nach heutigen Auktionspreisen einige Schätze in seinem Besitz. Mit Max Klinger hatte Oeltjen dabei sicherlich einen Künstler gesammelt, den er schätzen konnte, der ihm allerdings
künstlerisch nicht lag (Der Abstand beim Wert von Klinger zu seiner zeitgenössischen Konkurrenz hat sich übrigens bis heute erhalten). Was aus den Blättern wurde, ist unbekannt. Wie aus anderer
Quelle ersichtlich wird, hat Jan Oeltjen später bibliophile Raritäten veräußert, damit seine Frau sich notwendige Sanatorienaufenthalte leisten konnte. Vermutlich hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits
die leichter zu veräußernde Druckgraphik losgeschlagen... Der Klinger war jedoch, wie an Oeltjens Streichung erkennbar ist, schon deutlich früher aus der Sammlung ausgegliedert worden. Meine
Vermutung geht dahin, dass Oeltjen damit den letzten Romaufenthalt verlängern konnte.
Eine Anmerkung zu dem Eintrag "Kirchner" möchte ich hier noch geben. Sollte es sich tatsächlich um ein Blatt von Ernst Ludwig Kirchner gehalten haben, würde das genau in dessen Gruppe mit
Fränzi-Bildern passen. An dieser Stelle sei daher auf den wirklich exquisiten Wikipedia-Artikel zu "Lina Franziska Fehrmann" verwiesen! Tatsächlich aber handelt es sich um Eugen Kirchner...
Im Transkript werden Abkürzungen, wenn nötig, stillschweigend aufgelöst. Bei Blättern, bei denen sich mindestens ein Auktionsergebnis in Euro für die letzten Jahre recherchieren ließ, ist der Zuschlag in eckigen Klammern [ ] am Ende der Zeile angegeben.
Sollte sich die Formatierung auf kleinen Displays nicht erhalten lassen, bitte ich um Entschuldigung; auf Laptops bzw. PC-Monitoren funktioniert die Darstellung.
Transkript der Abbildung oben:
Kasimir Elsa 4 Radierungen bez.
60.-
Kasimir Luigi 4 Radierungen bez.
200.-
Kalckreuth Heimkehr farb. Lithographie
1.- [ca. 100]
Kalckreuth Heueinfahren Radierung 10.-
Klein J. A. Auf einen guten 27ger Jahrgang Radierung 4.- [> 100]
Klein J. A. Am neuen Jahr 1831 Radierung [zus.] [ca.
50]
Kirchner E. Mädchen vor Tür stehend Aquatinta 2.-
Kirchner E. November Aquatinta [zus.]
Max Klinger, Der Philosoph Radierung
3.- [200]
Max Klinger, Penelope Sechsplattendruck 3.- [250]
Max Klinger, Erinnerung Radierung
3.- [400]
Max Klinger, Mondnacht Radierung
100.- [870]
Max Klinger, Landstraße Radierung
100.- [620]
Max Klinger, Mittag Radierung
100.- [300]
Max Klinger, Evocation (Brahmsphantasien) 800.- [800]
Radierung mit K. bez. M. Klinger
Max Klinger, Fest (Brahmsphantasien.) bez. M.K. 800.-
Knorr Georg Wolfgang Landschaft Radierung 1.-
Knorr Georg Wolfgang Landschaft mit See Radierung [zus.]
Knorr Georg Wolfgang Landschaft mit Wasserfall Radierung
Kobell Ferdinand 8 Landschaften Radierungen 2.- [>100]
Koch Joseph Anton Rovine del Palazzo der Cesari Radierung 2.- [>100]
Köbel (Jakob Kallenberg) 3 Holzschnitte
3.- [>100]
Krausen Johanna Sibylla (Küsel) 10 Landschaften mit
mythologischen Scenen Radierungen
2.-
Kolb, Alois Fröhliche Wanderschaft Radierung 1.-
[20]
Krüger Albert, Alter Mann nach Liebermann Radierung 20.-
Krüger Albert, weiblicher Akt nach Degas Radierung [zus.]
Krüger Albert, Venus nach Botticelli 6farbiger Holzschnitt
Krüger Albert, J. Burckhardt 2farbiger Holzschnitt
[60]
Kühne Walter, Umwaldeter See bez. W. Kühne Radierung 140.-
Kühne Walter, Weiden am Teich bez. W. Kühne Radierung [zus.]
Kühne Walter, Heuhaufen bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Gewitter über der Stadt bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Am Strand bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, 2 Teiche bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Erntefeld bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Mühle im Korn bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Baumsilhouette bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, 2 Föhren bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Gardasee bez. W. Kühne Radierung
Kühne Walter, Bank unter Kastanien bez. W. Kühne Radierung
Kündig Reinhold Campagna Radierung
1.-
9. Dezember
"Trastevere", um 1909, Kaltnadelradierung
Privatbesitz, Foto: Volke Maeusel
Das heutige Blatt, im Motiv kaum von der Größe einer Handfläche, zeigt ein Osteria-Milieu im römischen Bezirk Trastevere - heute als "flippig und trendig" bezeichnet, damals noch Arbeiterviertel. Die Radierung, deren Ausführung mit der kalten Nadel die Flüchtigkeit eines Entwurfs beibehält, obwohl es mit Sicherheit keine Vorzeichnung gab, ist im Werkverzeichnis der Graphik Jan Oeltjens nicht enthalten.
In einem Brief vom 5.3.1909 an die damals von ihm umschwärmte Lilly Lehbert schilderte Jan Oeltjen eine solche Kneipensituation. Dabei ist zu beachten, dass die erwähnten Orte (Goldkneipe und Café Greco) beide in der Nähe der Spanischen Treppe lagen und mit der Armut von Trastevere nichts gemein hatten...
"Vorgestern saßen wir mit 10 Mann etwa in der Goldkneipe und waren so ein bisschen trocken-vergnügt. Ich schwang mich sogar freiwillig zu einem Sologesang auf [...] Ein Serbe, der wieder mal zur Abwechslung günstige Nachrichten aus seiner Heimat erhalten hatte, spendierte 2 Liter Moscato. Ziemlich spät kam noch einer an unsern Tisch. Ein 55jähriger ziemlich heruntergekommener Bildhauer, den ich im Greco oft gesehen hatte und der mir immer recht harmlos vorgekommen war. Der wurde mir dann vorgestellt u. setzte sich neben mich. [...] Er platzte in höchster Wut los und fuchtelte dabei mit seinen Händen dicht vor meinem Gesicht herum: Lassen Sie mich in Ruh, Sie dummer Esel Sie, halten Sie`s Maul, was wollen Sie von mir, meinen Sie, ich kenne Sie nicht, Sie dummer Esel Sie, Sie, im Cafe Greco sitzen Sie immer, Sie gelehrter Esel Sie, was wollen Sie von mir etc."
8. Dezember
Felsen in Brandung, nach 1911, Radierung
Privatbesitz, Foto: Volker Maeusel
Noch einmal geht es um Jan Oeltjens offenkundigen Lieblingsfelsen...
Die bislang gesetzte Datierung im Werkverzeichnis der Graphik lautet "1907", trifft aber offenkundig nicht zu - erst im Dezember 1908 äußerte sich Oeltjen in Briefen an Adolf Schinnerer über erste eigene Radierungen. Das in der Platte gesetzte Datum (unten links neben dem Monogramm JO) ist nicht sicher zu entziffern, muss aber als 12 oder 13 gelesen werden. Somit ist das Blatt ein Ergebnis der allsommerlichen Italienreisen des jungen Ehepaares.
Auffällig ist der Versuch, die Dynamik der Brandung durch Abweichung von der sonst vorherrschenden Parallelschraffur umzusetzen. Ob es die statuarische Ruhe des Felsbrockens war, die den vom Wattenmeer geprägten Künstler fasziniert hatte, muss offen bleiben, denn er hat sich darüber nicht schriftlich geäußert.
7. Dezember
Alois Kasimir und Ruth, 19.1.1921, Pastellzeichnung von Elsa Oeltjen-Kasimir
Privatbesitz, Reproduktion: Volker Maeusel
Ein Großvater, der seinem Enkelkind am Bett vorliest. Auf den ersten Blick stellt das Motiv dieses Bildes ein Idyll dar.
Aber nach Ausweis von Jan Oeltjens Tagebuch, der sich bewusst in Varea aufhielt, während der Rest der Familie in Maiberg weilte, war Ruth krank: Masern, wiewohl als Kinderkrankheit bezeichnet, waren
ohne reelle Behandlungsmöglichkeit gefährlich.
Zudem schrieb der darüber allerdings unbesorgte Vater von Unstimmigkeiten und Ärger in der Ehe, von versuchten Aussöhnungen durch die Schwägerin Tanna Hoernes-Kasimir und von dem unguten Einfluss,
den Sylvia Kasimir, verheiratete Trubel, auf Ruth gehabt haben soll. Dabei muss bedacht werden, dass die Eltern es ursprünglich gerne angenommen hatten, dass Sylvia Kasimir sich um Ruth kümmerte,
während sie durch künstlerische Ambitionen, Sanatoriumsaufenthalte, Einberufung und die Hofbewirtschaft von der Erziehung abgehalten wurden... In der bitteren Konsequenz lebte die Familie in den
kommenden Jahren verstärkt in Jaderberg.
6. Dezember
Maiberg, Familiengut der Kasimirs, Fotografie aus dem Nachlass
Reproduktion: unbekannt
Das heutige Foto hing jahrelang an einer Infotafel im Künstlerhaus Jan Oeltjen.
Es zeigt das Weingut Maiberg bei Pettau/Ptuj, das den Eltern von Elsa Oeltjen-Kasimir gehörte.
Nach langen Rechtsstreit ist es heute wieder im Besitz der Urenkelin. Es soll zu einer Pension ausgebaut werden. Dazu gerne ein anderes Mal mehr.
Quasi in Sichtweite befand sich übrigens Varea, das Weingut von Jan Oeltjen und Elsa Oeltjen-Kasimir.
5. Dezember
Jan Oeltjen auf Mittelmeer-Felsen, 1911, Fotografie im Nachlass
Reproduktion: Volker Maeusel
Die zunächst getrennten Italienreisen von Jan Oeltjen und Elsa Kasimir, die nach der Hochzeit gemeinsam durchgeführt wurden, fielen genau in die zweite Phase einer Etablierung des modernen Tourismus. Nachdem die Eisenbahn den Kontinent erschlossen hatte, war der modernen Mobilität der Weg frei gemacht. Entsprechend bildeten sich infrastrukturelle Voraussetzungen dafür, die bisher dem Adel und Großbürgertum vorbehaltene freizeitbezogene Auslandserfahrung auch breiteren Schichten zugänglich zu machen. Sonnenanbetung, Wassersport und letztlich auch Körperkult gründen sich in dieser Zeit, hier exemplarisch festgemacht an der durchaus gestellten Fotografie des jungen Jan Oeltjen auf seinem Felsen im Mittelmeer. Weitere Aufnahmen stellen den Zusammenhang mit der Hochzeitsreise dar. Somit ist dieser Felsen vermutlich identisch mit dem im Aquarell abgebildeten "Gelben Felsen im Kräuselmeer"...
4. Dezember
Elsa Kasimir, modellierend, um 1905
Fotografie aus dem Nachlass, Reproduktion: Volker Maeusel
Die frühesten datierbaren Arbeiten, die bereits enormes Talent und künstlerisches Potential zeigen, stammen von der 15jährigen Schülerin Elsa Kasimir und sind nur auf Fotografien überliefert (vgl. Werkverzeichnis 'Das plastische Werk', S. 143). Auf dieser Fotografie ist sie nur geringfügig älter; das Kleid bzw. den Arbeitskittel trägt sie offensichtlich auch während ihrer Ausbildung an der Wiener Kunstgewerbeschule seit 1904.
Im Nachlass von Jan Oeltjen befanden sich noch kleine unsignierte Arbeiten seiner Frau in glasierter Technik, darunter auch eine Maus auf einem Käsestück (WVZ EOK-Tpl-oo-2).
3. Dezember
Elsa Oeltjen-Kasimir mit Schaf, Dezember 1929, Pastell/Kohle
im Nachlass, Foto: Volker Maeusel
Die um 1929 von Elsa Oeltjen-Kasimir in Ton und Terrakotta gestalteten Schafe und Böcke hatten einen realen Bezug. Die Schafe der Nachbarschaft in Jaderberg waren aber nicht nur Modelle. Eines von
ihnen, "Knautsch" genannt, hatte fast den Status eines Haustiers erreicht: Der Tod von Knautsch im Dezember 1928 wurde von Elsa-Oeltjen-Kasimir in ihrem Tagebuchkalender festgehalten. Genau ein Jahr
darauf entstand diese annähernd DINA4-große Pastellzeichnung. Jan Oeltjen malte seine Frau mit dem Schaf übrigens annähernd spiegelverkehrt (JO-Öl-29-26, nur noch als historisches Foto überliefert).
Ihm ging die Anhänglichkeit des Tieres offensichtlich zu weit. Bereits am 29. März 1925 notierte er im Tagebuch: "Kratzte den Knautsch vom zweiten „Frühling“ herunter. Wesentlich u. durchaus
notwendig. Jetzt gelöst."
2. Dezember
"Gelbe Felsen im Kräuselmeer", 24.VIII.11, Aquarell
Privatbesitz, aus dem Kunsthandel erworben; Foto: Volker Maeusel
Drei Monate nach der Hochzeit im April 1911 brachen Jan Oeltjen und Elsa Kasimir-Oeltjen (wie sie sich damals noch häufiger nannte) zu ihrer ersten gemeinsamen Ischia-Reise auf. Sie wohnten in
Forio an der Westküste der Insel, wo abends die Sonne beobachtet werden konnte, wie sie im Meer versinkt. Erstaunlicherweise gibt es davon scheinbar keine Darstellung im Aquarell, wenngleich das
Motiv der Bootsfahrt in die Sonne fortan bei Jan Oeltjen stetig zu finden ist - letztlich bis in den Grabstein für seine Frau.
Stattdessen faszinierten Jan Oeltjen Felsformationen an der Küste und kaum bootgroße Felsbrocken in Strandnähe.
Die gezeigten Felsen liegen in der Nähe der "Chiesa del Soccorso" und lassen sich noch heute betrachten - und erklettern, aber dazu an einem anderen Tag mehr...
1. Dezember
Klapotez, Kaltnadelradierung
Privatbesitz, aus dem Nachlass erhalten, Foto: Volker Maeusel
Beginnen wir unseren diesjährigen Adventskalender ruhig mit einem kleinen unsignierten Blatt, von dem unklar ist, wer es geschaffen hat: Zeichnung und Komposition sprechen gleichermaßen für Jan
Oeltjen wie für Elsa Oeltjen-Kasimir. Möglich, das der kleinformatige Druck als Exlibris gedacht war. Dargestellt ist ein "Klapotez". Das ist eine für die frühere südliche Steiermark typische
Vogelscheuche aus unterschiedlichen Hölzern, deren Geklapper die Vögel von den Weinbergen verscheuchen soll. Wer mehr darüber wissen will: Wikipedia hat einen eigenen Artikel "Klapotetz".
Jan Oeltjen nutzte den Ausdruck sogar als Schimpfwort. So schrieb er über seine Frau im Tagebuch, sie sei eine "zähnebleckende Klappermühle" (3. Mai 1918) und über ihre Schwester Sylvia: "4. August
1912. Mittags sagte ich zur Schwägerin eine etwas boshafte Wahrheit: sie solle nicht wie ein Klapotez plappern. Elsa ist seitdem reserviert zu mir."